Alle und Jeder

Seitdem ich mich im Internet des Öfteren auf dem einen oder anderen Blog herumtreibe (meist, ohne ein Zeichen meiner Anwesenheit zu hinterlassen), habe ich eine ganze Menge Artikel der Art Zehn Dinge, die man über Autoren wissen muss gelesen, dicht gefolgt von Texten à la Zehn Tipps, die man als Autor unbedingt befolgen muss.

Demnach sind Schriftsteller zurückhaltende Typen, die immer und überall plötzlich ausrasten und zu Papier und Bleistift stürzen können. Sie müssen alles analysieren und auseinandernehmen. Sie haben keine Freunde, sondern nur Studienobjekte. Ihre Phantasie ist grenzenlos und sie sind unglaublich belesen, denn schließlich tun sie den ganzen Tag nichts anderes.

Sie ahnen, worauf das hier hinausläuft.

Manchmal stehe ich unter der Dusche und halte einen Gedanken mühsam fest, bis ich endlich abgetrocknet bin und ihn aufschreiben kann. Oft genug fallen mir die besten Sachen abends im Bett ein, wenn ich schon zu müde bin, noch einmal Licht zu machen (obwohl ein eigens dafür gekauftes Büchlein und ein Bleistift auf dem Nachttisch liegen). Trotzdem laufe ich eher selten wie wahnsinnig geworden durch die Wohnung, um eine Idee aufzuschreiben, und ich breche auch nicht jäh ein Gespräch ab, weil sich meine Gedanken mit einer wichtigen Hintergrundgeschichte befassen und plötzlich die Erleuchtung erfahren. Natürlich lese ich recht viel – aber meistens zu Hause. Ich käme nicht auf die Idee, mit einem Buch in der Hand durch die Stadt zu laufen (das macht sich mit einem Wälzer von 1000 Seiten auch echt schlecht). Und ich baue auch nicht meinen kompletten Bekanntenkreis in meine Manuskripte ein.

Leider scheint das Handwerk des Schreibens sehr klischeebelastet zu sein. Autoren, die den Sprung in die Veröffentlichung geschafft haben (und ich klammere den Selbstverlag hier ausdrücklich aus), unterstützen diese Erwartungen oft, beispielsweise eben mit den oben erwähnten Artikeln. Ich frage mich, woran das liegt – Versucht man hier, einem Ideal zu entsprechen? Redet man sich ein, es gäbe tatsächlich ein Mittel zum Erfolg, einen Leitfaden, an den man sich klammern kann?

Oder muss ich mich und mein Schreiben in Frage stellen, wenn ich den gängigen Mustern nicht entspreche?

Das einzige, was wirklich allen Autoren gemein sein sollte, ist die Tatsache, dass sie sich ab und zu irgendwo hinsetzen (in der Öffentlichkeit oder im stillen Kämmerlein) und Buchstaben zu Papier bringen, materiell oder virtuell. Es gibt genauso wenig Zehn Dinge, die sie wissen müssen, um mit einem Autor in der WG zu überleben wie es zehn Dinge gibt, die sie unbedingt über die asiatische Riesenspringmaus* wissen müssen.

 

* Eigentlich habe ich mir dieses Tier gerade ausgedacht, aber Google erzählt mir, dass es tatsächlich eine in Ostasien lebende Riesenohr-Springmaus gibt.

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